SGB II-​Verfahrensvereinfachung – noch nicht der große Wurf…

paragraph-2930552_1920

SGB II-​Verfahrensvereinfachung – noch nicht der große Wurf…

Christian Hampel (von der LAG KJS NRW) ist als Fach­re­ferent für die BAG KJS u.a. für das SGB II zuständig. Die SGB II-“Rechtsvereinfachung” wird aus Sicht der Jugend­so­zi­al­arbeit nicht der große Wurf. Hampel kom­men­tiert die Neureglungen.

Bereits im November 2012 hatte die Arbeits- und Sozi­al­mi­nis­ter­kon­ferenz die Ein­richtung einer Bund-​Länder-​Arbeitsgruppe zur Ver­ein­fa­chung des Leis­tungs­rechts im SGB II (Grund­si­cherung für Arbeit­su­chende) beschlossen. Diese hat zwi­schen Sommer 2013 und 2014 mehrmals getagt und Vor­schläge für mög­liche Ände­rungen im SGB II erörtert. Einige im Konsens for­mu­lierte Ände­rungs­vor­schläge sind jetzt in den „Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozi­al­ge­setzbuch – Rechts­ver­ein­fa­chung“ ein­ge­gangen. Als Ziel des Gesetz­ent­wurfes ist for­mu­liert, dass leis­tungs­be­rech­tigte Per­sonen schneller und ein­facher Klarheit über das Bestehen und den Umfang von Rechts­an­sprüchen erhalten sollen und Mitarbeiter/​innen der Job­center die Ver­fah­rens­vor­schriften leichter anwenden können. Einige auch für die Ziel­gruppen der Jugend­so­zi­al­arbeit rele­vanten Neu­re­ge­lungen werden nach­stehend benannt und kom­men­tiert. Die ange­kün­digten Ände­rungen bei den Sank­tionen für junge Men­schen erfolgen nicht. Nach wie vor werden Jugend­lichen also härter bestraft als andere Hartz-IV-Empfänger.

  • Es wird eine neue Leistung „Beratung“ ein­ge­führt (§ 1 Abs. 3 und § 14 Abs. 2 SGB II). Dies ist grund­sätzlich positiv zu sehen; wenn aber in § 14 als wesent­liche Inhalte der Beratung Aus­kunft zu „Selbst­hil­fe­o­b­lie­gen­heiten und Mit­wir­kungs­pflichten“ genannt werden, ist dieser Rat ein­seitig und beschränkt und es findet auf jeden Fall kein Gespräch auf Augenhöhe statt. Dies zeigt sich auch daran, dass der/​die Beratene kein Wunsch- und Wahl­recht hat und die Ein­glie­de­rungs­ver­ein­barung (§ 15 SGB II) auch durch Ver­wal­tungsakt getroffen werden kann. Par­ti­zi­pation sieht anders aus.
  • In § 3 Abs. 2 SGB II wird die besondere För­derung junger Men­schen (U 25) durch vor­rangige Ver­mittlung in Aus­bildung anders for­mu­liert und auf alle Antrag­steller von SGB II-​Leistungen erweitert. Wenn die Geset­zes­be­gründung zu dieser Regelung davon spricht, dass ein feh­lender Bil­dungs­ab­schluss ein schwer­wie­gendes Ver­mitt­lungs­hemmnis dar­stellt und der Abschluss einer Berufs­aus­bildung zur Ver­meidung von Lang­zeit­ar­beits­lo­sigkeit führen kann, dürfte auch künftig der vor­ran­gigen Ver­mittlung junger Men­schen in Berufs­aus­bildung nichts im Wege stehen. Bei allen anderen Leis­tungs­be­rech­tigten besteht aber die Gefahr, dass schnell auch in weniger oder unge­eignete Beschäf­tigung ver­mittelt wird wegen des „unver­züg­lichen Beginns der Ein­glie­de­rungs­arbeit zur Über­windung der Hil­fe­be­dürf­tigkeit“ Geset­zes­be­gründung, S. 31).
  • In § 7 (Leis­tungs­be­rech­tigte) werden durch Ände­rungen in Abs. 5 und 6 die Schnitt­stellen zwi­schen SGB II und der Aus­bil­dungs­för­derung (BAB und BAföG) – wie es die Geset­zes­be­gründung aus­drückt – wei­ter­ent­wi­ckelt. Junge Men­schen in der Berufs­vor­be­reitung oder ‑aus­bildung können künftig unter bestimmten Vor­aus­set­zungen auf­sto­ckend Arbeits­lo­sengeld II in Anspruch nehmen. Diese Regelung ver­bessert das bis­herige Ver­fahren, auch wenn wei­terhin ein­zelne Gruppen, z. B. junge Reha­bi­li­tanden, von den Neu­re­ge­lungen nicht pro­fi­tieren können.
  • Der Gesetz­entwurf enthält weitere als positiv erachtete Rege­lungen, z. B. die Mög­lichkeit, bei Wegfall der Hil­fe­be­dürf­tigkeit während einer Maß­nahmen eine För­derung wei­terhin in Anspruch nehmen zu können (§ 16 g Abs. 1 SGB II) oder die Ver­län­gerung des Bewil­li­gungs­zeit­raumes von bisher sechs auf künftig zwölf Monate (§ 41 Abs. 3 SGB II).

Aller­dings sind auch Neu­re­ge­lungen im Gesetz­entwurf ent­halten, die sich negativ aus­wirken werden, etwa bei den Kosten für Unter­kunft und Heizung oder bei der För­derung von Alleinerziehenden.

Was aber auf jeden Fall fehlt, ist die ursprünglich ange­kün­digte Änderung bei den Sank­tionen (§ 31, 31 a SGB II). Nach wie vor sollen also junge Men­schen deutlich schärfer sank­tio­niert werden als andere erwerbs­fähige Leis­tungs­be­rech­tigte, obwohl die Wir­kungen dieser beson­deren Sank­tionen nicht nach­ge­wiesen sind. Jungen Men­schen unter 25 Jahren können also auch in Zukunft das Arbeits­lo­sengeld II und die Kosten für Unter­kunft und Heizung gestrichen werden, so dass sie schließlich buch­stäblich auf der Straße sitzen.

Christian Hampel

Teilen mit:

Keine Neuigkeiten mehr verpassen?

Wir hätten da was... Und zwar alle 14 Tage neu: Die Jugendsozialarbeit.NEWS.
Dürfen wir auch Sie beliefern?

Skip to content